Kaum hatte der Strafprozess wegen des Besitzes von Kinderpornografie
gegen den SPD-Politiker Sebastian Edathy begonnen, war er auch schon
wieder vom Tisch. Der Angeklagte, so begründete der Vorsitzende Richter
Jürgen Seifert die plötzliche Einstellung des Prozesses, sei durch das
Verfahren gestraft genug. Zudem, so behauptete der Richter weiter, habe
sich der Angeklagte heute vor der gesamten deutschen Öffentlichkeit
seinem Fehlverhalten gestellt.
Damit verwies Jürgen Seifert auf eine dürre Erklärung, die Sebastian
Edathy durch seinen Verteidiger Christian Noll verlesen ließ: „Die
Vorwürfe treffen zu. Ich bereue, was ich getan habe.“ Direkt nach
Einstellung des Verfahrens meldete sich der als Internet-affin bekannte
Edathy allerdings auf Facebook zu Wort, um klar zu stellen, dass er
selber mit Nolls Schuldeingeständnis nichts zu schaffen habe: „Ich
weise darauf hin, dass ein Geständnis ausweislich meiner heutigen
Erklärung nicht vorliegt“, ließ er seine Fangemeinde im Tonfall eines
Justizopfers wissen.
Grund zur Klage besteht für den SPD Poliker Edathy tatsächlich aber
wenig, hatte doch eine glückliche Fügung dafür gesorgt, dass
ausgerechnet Richter Jürgen Seifert den Vorsitz über seinen Prozess
führte. Seifert hatte bereits in der Vergangenheit bewiesen, auch zu
einem Urteil gelangen zu können, ohne ein Verfahren unnötig in die Länge
zu ziehen und damit Staub aufwirbeln zu müssen.
So kamen etwa im Jahr 2009 elf von vierzehn des schweren Raubes und
der gefährlichen Körperverletzung angeklagte Mitglieder der Rockerbande
Hell’s Angels mit einer Bewährungsstrafe davon, nachdem Jürgen Seifert
das Verfahren nach nur zwei Prozesstagen überraschend beendet hatte.
Zuvor war, wie auch im Verfahren gegen Edathy, ein ‚Deal‘ mit der
Staatsanwaltschaft unter Ausschluss der Öffentlichkeit abgesprochen
worden, der Jürgen Seifert allerdings im Anschluss an den Prozess eine
(folgenlose) Anzeige wegen Strafvereitlung im Amt und Rechtsbeugung
einbrachte.
Einen kleinen Klapps auf die Finger gab Richter Seifert dem also nun
nicht vorbestraften SPD-Politiker Edathy nach Einstellung des Verfahrens
dennoch mit auf den Weg: Kinderpornos seien “sexueller Missbrauch” und
verletzten die Opfer in ihrer “Würde”, klärte er Edathy auf. “Jedoch hat
jeder Mensch, auch Herr Edathy, eine zweite Chance verdient.”
Von einer zweiten Chance können der Säugling Kai, der sechsjährige
Victor und der achtjährige Smolo wohl nur träumen. Sofern sie noch am
Leben sind, befinden sich Kai, Victor und Smolo vermutlich noch in der
Hand von Kinderschändern, welche sie vor laufender Kamera sexuell
missbrauchen, die gefilmten Qualen der Kinder in Dateien mit Titeln wie
‚Victor6yo‘, Victor, sechs Jahre alt, ‚Diaper-Boy Kai‘, Windeljunge Kai
und ‚Smolo8yo‘, Smolo, 8 Jahre alt packen, um diese dann an eine
zahlungskräftige Kundschaft zu verkaufen. An Kunden, wie den SPD
Politiker Sebastian Edathy, der den Konsum dieser Filme, im Widerspruch
zur Gesetzeslage, lange als seine Privatangelegenheit bezeichnet hatte.
Viel Verständnis und Milde erfährt Edathy dieser Tage nicht nur durch
die deutsche Justiz, auch Teile der Medien sind ihm mehr als
wohlgesonnen. Spiegel Online diagnostizierte nach Einstellung des
Strafverfahrens etwa ‚niedere Instinkte‘, freilich nicht bei Edathy,
sondern beim Volk, welches in den sozialen Netzwerken Unverständnis über
das abrupte Verfahrensende geäußert hatte.
Der Kolumnist Jakob Augstein legte im selben Blatt nach und beklagte
die ‚mangelnde Barmherzigkeit‘, die dem Kinderpornokonsumenten Edathy
entgegenschlug und betrauerte den ‚sozialen Tod‘, den der SPD Politiker
nun wohl sterben müsse. Die SPD-nahe Zeit legte noch eine Schippe drauf
und warf sich in ihrer Onlineausgabe gar gleich bußfertig in den Staub,
um von Edathy öffentlich Absolution zu erbetteln: „Bitte entschuldigen
Sie, Herr Edathy“, titelte man dort.
Die taz frischte wiederum die Behauptung auf, die Razzien in den Büros
und der Wohnung des SPD Politikers seien aufgrund eines ‚schwachen
Verdachtes‘ und der geringen Menge an gefundenen kinderpornografischen
Dateien gar nicht rechtens gewesen. Ein Umstand der, wie inzwischen
bekannt ist, der Tatsache geschuldet war, dass Edathy vermutlich aus
SPD-Kreisen heraus gewarnt worden war, was ihm Zeit verschafft hatte,
belastendes Material sowie seinen Dienstlaptop verschwinden zu lassen.
Wer Sebastian Edathy gewarnt hatte, um auf Kosten missbrauchter
Kinder den Ruf seines Parteigenossen oder den Ruf der politischen Eliten
insgesamt zu schützen, wird aber nun, da es kein Strafverfahren gegen
Edathy geben wird, auf immer im Dunkeln bleiben. Ein derzeit
stattfindender Untersuchungsausschuss, welcher dieser Frage zusätzlich
nachgehen möchte, wird aller Wahrscheinlichkeit nach ebenfalls wenig
Erhellendes zu Tage fördern. Bislang wird als einzige undichte Stelle
der SPD Abgeordnete Michael Hartmann genannt. Dieser weist alle Vorwürfe
von sich.
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