Israel und der Konflikt zwischen der Fatah und der Hamas von ivo bozic
Zumindest klammheimlich war die Freude, die viele Israelis angesichts der Bilder von sich untereinander bekriegenden Palästinensern empfanden. Doch nicht Schadenfreude verspürten sie, sondern die Hoffnung, dass die palästinensischen Milizen die Israelis in Ruhe lassen würden, solange sie mit sich selbst beschäftigt seien. Zugleich hofften viele, dass die Weltöffentlichkeit angesichts des Blutvergießens in Gaza zur Kenntnis nehmen werde, mit was für Burschen die Israelis es ständig zu tun haben.
Aber die Ereignisse in Gaza geben auch Anlass zur Besorgnis. Denn die Israelis wissen, dass mit einer Ansammlung mafiöser Banden kein Friedensvertrag wie mit Jordanien und Ägypten zu machen ist. Doch solch ein Pessimismus setzt einigen Optimismus voraus, nämlich den, an ein solches Abkommen überhaupt noch zu glauben. Und die Zuversicht, in der palästinensischen Gesellschaft gebe es eine Mehrheit, die tatsächlich an Frieden und an der Errichtung eines eigenen Staats neben dem israelischen interessiert sei.
Doch die beiden Formeln, die die israelische Regierung immer wieder herunterbetet – die Unterscheidung von »moderaten« und »radikalen« Kräften und das Vertrauen in Mahmoud Abbas – stößt zunehmend auf Skepsis. Etwa, wenn genau in dem Moment, in dem in Mekka medienwirksam die Friedenspfeife herumgereicht wird, das von der Fatah kontrollierte palästinensische Fernsehen alles tut, um einen grotesken Konflikt in der Altstadt Jerusalems um ein paar Bauarbeiten in der Nähe der al-Aqsa-Moschee eskalieren zu lassen. Abbas rief auch persönlich zum Widerstand gegen – ja gegen was auch immer auf. Ein schöner Anlass jedenfalls, so konstruiert und abstrus er auch sein mag, in Ostjerusalem und Gaza sofort mit Barrikadenbauen, Steinewerfen und dem Abfackeln israelischer Fahnen zu beginnen. Nach fast zwei Tagen Waffenruhe und ohne Blutvergießen untereinander begannen sich die palästinensischen Kämpfer offenbar zu langweilen.
Radikale und Moderate haben sich geeinigt? Ja, und zwar hinter der brennenden Israel-Fahne. Und hinter sage und schreibe einer Milliarde US-Dollar aus Riad. Die Konkurrenz zwischen dem Iran und Saudi-Arabien um den Einfluss in der Region belebt vor allem das palästinensische Geschäft. Die Hamas bekam zunächst aus Teheran 240 Millionen Dollar zugesprochen, und die neue Einheitsregierung steckt nun dankend auch den saudischen Jackpot ein. Wer sagt denn, dass Terror sich nicht lohnt?
Die Sorge um eine Warlordisierung in den palästinensischen Gebieten ist daher für die Israelis das geringste Problem. Für Israel ist die Einigung von Mekka kein Grund zum Aufatmen. Worin soll der vom so genannten Nahost-Quartett gefeierte Fortschritt liegen, wenn die Palästinenser nun wieder zusammen Juden attackieren, anstatt sich gegenseitig die Hütten anzustecken? Im Gegenteil: Nur ein Zerfall der palästinensischen Einigkeit ist ein Fortschritt, weil nur das jene Utopie zerstört, der Israel, die arabischen Staaten, die USA und alle anderen Akteure in der Region, Linke wie Rechte, Hippies wie Militärs immer noch anhängen; nämlich der Utopie eines autonom verwalteten und vor allem autonom und freiwillig errichteten palästinensischen Staats. Trotz aller bitteren Erfahrungen – auch und gerade nach dem Abzug Israels aus dem Gaza-Streifen – wird diese Illusion trotzig am Leben erhalten. Das aber dient nichts anderem als zu kaschieren, dass sich der Nahost-Konflikt in einer endlosen Zeitschleife befindet.
jungle world
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