Dafür, dass sich in den letzten zwei Generationen soviel in Deutschland geändert haben soll, sind die aufrechten Deutschinnen und Deutschen aber noch immer ziemlich gehorsam: Wenn man ihnen sagt, welche Partei sie wählen sollen, dann tun sie das auch.
Man muss sich das auf der Zunge zergehen lassen, liebe Leserinnen und Leser: Da geht irgendein Kandidat, der Ministerpräsident des Landes X bleiben will, los und sagt den Leuten, sie sollen eine Partei wählen, die sie eigentlich zum Kotzen finden, weil ihm sonst ein paar Stimmen fehlen in seiner Super-Duper-Koalition – und die Leute tun das!
Tatsächlich – die Deutschen lassen sich vorschreiben, wen sie wählen sollen. Man sagt Ihnen, wählt die FDP – und sie machen es. Klingt lächerlich, ist aber Realität.
Stellen Sie sich dasselbe bitte mal vor in einer Demokratie, die den Namen verdient. Würden Sie so etwas Ähnliches mit einem Engländer versuchen, bekämen Sie eine steife Oberlippe zu sehen, an der Sie sich aufhängen können. In Frankreich würden Sie dafür geköpft. In Israel könnten Sie danach nur noch politisches Asyl in Syrien verlangen und in Italien – ach vergessen Sie Italien, da lassen die Leute sich ja noch nicht mal vorschreiben, dass sie nicht bei Rot über die Ampel fahren sollen.
Aber in Deutschland funktioniert das. Da rechnet Herr McAllister flugs ein bißchen links herum und rechts herum und schon steht fest, dass die CDU im Landtag von Hannover einen Koalitionspartner braucht. Nun, wer mag das wohl werden? Schwuppdiwupp – schon kommen Fipps und Patte und ihre Karrieristenbrut von der FDP bei der Big-Mama-CDU an die christdemokratische Zweitstimmentitte, bis ihnen der Saft aus den Ohren spritzt. Hmm, lecker, deutsche Demokratie.
Und gleich danach führt uns Herr Brüderle, die lebende Weinprobe (FDP), nach dem Königsselbstmord von Fipps dann vor, wie ein Bauchklatscher erster Klasse geht – bitte halten Sie Ihre Wertung bereit! Und viel Spaß mit Patrick Döhring, dem letzten lebenden Freidemokraten, Herr Brüderle.
Denn leider, leider, hat man die Rechnung diesmal ohne den Wirt gemacht: Was die FDP hinten zuviel hat, hat die CDU vorne zu wenig. Also wie war das mit den Grundrechenarten: Wenn Lieschen drei Eier hat und sie gibt eins davon Paul, dann haben Paul und Lieschen zusammen wieviele Eier? (Und versucht bitte nicht, witzig zu sein: Paul hat keine Eier, sonst wäre er nämlich gar nicht erst bei der FDP).
Drum merke, liebes Wahlvolk (CDU): Gehorsamkeit ist eine Zier, doch besser lebt sich´s ohne ihr! Statt zwei Gewinnern habt ihr nun drei Verlierer produziert – Eure jeweiligen Parteien und die schwarz-gelbe Mehrheit im Bundesrat, die ist seit heute nämlich ebenfalls futsch.
Wenn´s vorne zwickt und hinten beißt, hilft Klosterfrau Melissengeist? Na dann prost, liebe McAllisteraner, das habt Ihr Euch redlich verdient. Es tut mir wirklich sehr leid, aber bei soviel Hintertriebenheit wäre etwas anderes als Häme völlig fehl am Platze: Wer andern eine Grube gräbt, fällt selbst hinein.
Aber auch bei der SPD werden Chancen vertan. Vor allem die Chance, dass Peer Steinbrück in seiner Funktion als Kanzlerkandidat weiterhin den Dorftrottel spielt. Als Kasper und Watschenmann hat er zuletzt eigentlich ganz gut funktioniert. In dieser Rolle war er nicht nur überzeugend, sondern er bekam endlich einmal fast so etwas ähnliches wie Profil. Aber nein, die Partei hat ihn zur Raison gerufen.
Schade! Nun ist es wieder so, dass man einschläft, bevor man die Steinlaus-News bis zuende gehört hat. Vorher hielt einen doch immer noch die Hoffnung wach, die Steinlaus hätte vielleicht wieder was Verrücktes gemacht. Was über seine Vorträge gesagt, oder über seine finanzielle Situation, oder über die Frauen.
Alles sehr lustig, denn niemand spielt den Deppen so überzeugend wie er. Oder war das etwa gar nicht gespielt? Ist die Steinlaus wirklich so, wie sie wirkt? Man wird es niemals erfahren, denn um die Pointe dieses lebenden Scherzes wird man nun für immer betrogen: Der Steinlaus wird jetzt nämlich Benimm andressiert – von seiner Partei, kicher.
Wie lustig wäre es doch geworden, mit der Steinlaus in offizieller Funktion. Als Bundeskanzler! Wie er dann von einem Fettnapf in den nächsten gelatscht wäre, wenn er irgendwo auf Staatsbesuch geht, in der Schweiz, in Liechtenstein (tritt nicht daneben, tritt mittenrein) – herrrrrlich! Und wenn er von den wirklich ernstzunehmenden Steueroasen erfahren hätte. Jaja, gegen die Steinlaus wäre sogar Heinrich “liebe Neger” Lübke ein Klacks gewesen.
Aber seit er sich benimmt, ist Peer Steinbrück (SPD) wieder so langweilig, wie ein Nachmittag am Hundertwasser-Bahnhof in Uelzen, nur nicht so bizarr. Naja, muss reichen, damit die SPD dann ab nächstem Jahr wieder als Juniorpartner vom anderen Links (CDU) auf der Regierungsbank hocken darf.
Das wird passieren, wenn Mutti ihr politisches Füllhorn im September nach dem Vorbild McAllister noch einmal über der Mövenpick-Partei ausschütten tut, dann aber auf Bundesebene.
Das Einzige, was man bei der Steinlaus-Partei noch immer nicht verstehen will: In Niedersachsen gab es eine ernstzunehmende Wechselstimmung, weg von der CDU, hin zu rot-grün. Die gibt es im Bund nicht. Insofern hat der Kandidat noch alle Möglichkeiten, den Karren vor die Wand zu fahren, auf dem man als wackerer Sozialdemokrat (m/w) jetzt im Glanz seines kurzlebigen Glückes blüht. Tja, il est bien court, le temps de cérises.
Die Grünen sind offenbar die Gewinner. Das konnte sich auch das smarte junge Ding nicht erklären, das für Infratest/dimap beim NDR war um die Wahl zu analysieren. Nun ja, bei Infratest/dimap waren sie schon immer auf eine so blöde Art intelligent, dass sie für den Staatsfunk wie gemacht erschienen. Deshalb musste es ein Rätsel bleiben: Wie kann es sein, dass Landwirte auf einmal die Grünen wählen?
Dabei wäre das Ganze so einfach zu erklären gewesen. Wenn dieses smarte junge Ding oder die NDR-Journaille nämlich auch nur ein einziges mal in ihrem Leben in Niedersachsen auf dem Land gewesen wären. Dann wüssten sie nämlich, wie es dort aussieht. Aber das smarte junge Ding und der leibhaftige NDR haben in ihrem pathetischen Leben zwar schon die Hackeschen Höfe in Berlin und die Hinterhöfe von Linden gesehen, dafür aber noch keinen niedersächsischen Bauernhof. Sonst wüssten sie, dass so ein Bauernhof in Diepholz von oben bis unten mit Solarkollektoren gepflastert ist, vom Kuhstall bis zur Hundehütte.
Überall, wo auch nur das kleinste Fitzelchen Sonne hinscheint, werden von den lokalen Landwirten unter Ausnutzung des “Erneuerbare Energie Gesetzes” Millionen gemacht; Ackerbau und Viehzucht können in der modernen Agronomie eben nur noch ein Zubrot und ein Zeitvertreib sein.
Zwar scheint in Soltau-Fallingbostel in etwa soviel Sonne, wie in Fairbanks, Alaska. Aber dank EEG ist selbst das kleinste Bisschen Licht jetzt so profitabel wie ein Bohrloch im Wüstensand. Da war es mal an der Zeit, sich für florierende “grüne” Klientel- äh: Klimapolitik zu bedanken. So einfach geht Landespolitik, liebes Infratest/dimap, lieber NDR.
Die EU-Landwirtschaftssubventionen, die es früher von der CDU gegeben hat, sind lange passé: Die Zukunft des Subventionssumpfes ist “Grün”! Die muss man jetzt nämlich wählen, um von der CDU das zu bekommen, was man will (Energiewende und so, dieses Börsenspiel für Gesamtschullehrer).
Bleiben die beiden Tosser: “Piraten” und “Linke”. Zu ersteren ist zu sagen, dass kaum ein Mensch in Niedersachsen die Sache mit diesem Partei gewordenen Lebensgefühl braucht, oder brauchen möchte. Lebensgefühl haben die Niedersachsen selber genug, egal, ob einem die rustikale Variante davon nun gefällt, oder nicht. Ob sie Heidekönigin oder bei der freiwilligen Feuerwehr sein möchten: Angesichts des Sozialzwangs zur rebellischen Konformität kann der biedere Lifestyle der Niedersachsen ziemlich sozialrevolutionär wirken. Warum also Piraten wählen?
Und, ehrlich gesagt, zwischen Spielmannszug und Turnverein, zwischen Kleingarten und Käsekuchen, bleibt wenig Platz fürs Internet: Die meisten Leute auf dem Land haben tatsächlich noch so etwas Altmodisches wie ein Leben aus erster Hand, brauchen von daher auch keine Internetpartei – tschüß, macht´s gut, liebe Piraten.
Bei der “Linken” ist der Fall etwas komplizierter, aber fast genauso erbärmlich. Die sieht sich seit gestern in den “politischen” Aufwind geraten, nur weil sie von zwei auf drei Prozent gekommen ist, und will sich gegenüber ihrem Bundestrend in Niedersachsen stark verbessert haben. Besser bedeutet ja noch lange nicht gut, hurra.
In einer Dauerwerbesendung auf NDR Info, moderiert über den heißen Kaffeeatem einer dieser typischen Staatsfunk-Journalistinnen (das sind die, die immer so klingen, als würden sie sich auch heute noch was darauf einbilden, dieselben Seminare wie Brigitte Mohnhaupt geschwänzt zu haben) verwies der Fraktionsvorsitzende der “Links”-Partei, Gregor Gysi, stolz auf einen sozialen Bodensatz von hundert- bis zweihunderttausend Personen, die vor Schluss der Wahllokale noch nicht zu betrunken waren, um ein, zwei Kreuzchen zu machen und ihm so den Wahn zu retten, seine Ex-SED wäre keine reine Ostpartei.
Nun ja, noch ein paar Jahre linke “Politik”, und es dürfte noch etwas mehr Bodensatz werden. Denn “linke” Sozialpolitik für die “Partei” der Deklassierten soll doch wohl nichts anderes als die Diktatur des Proletariats vorbereiten, nicht wahr, Herr Gysi? Da kann diese “Links”-Partei gerne noch ein paar Mal in den “politischen” Aufwind geraten, bevor sie es im Westen wieder über die 5%-Hürde schafft. Und selbst, wenn das einmal passiert, wird sich in ihrer eigenen “Partei” keiner mehr daran erinnern, wer Sarha Wagenknecht war (die schreibt sich wirklich so verkehrt).
Als ostdeutsche Regionalpartei hat die “Linke” einen folkloristischen Charme, der irgendwo zwischen Spreewaldgurken und Halorenkugeln changiert. Diese “Partei” wird gerade mit dem letzten aufrechten “Linken” zu Grabe getragen, ohne dass man sich viel darum schert – abgesehen von den Genossinnen und Genossen beim Staatsfunk, versteht sich, die den Trauermarsch spielen und davon leben, dass sie der “Linken” eine “politische” Auferstehung nach der nächsten andichten.
Aus bürgerlicher Sicht gehört die “Links”-Partei unter politischen Denkmalschutz gestellt. Immerhin verdirbt sie rot-grün auf absehbare Zeit jede Chance darauf, im Bund jemals wieder eine Mehrheit zu bekommen. Und insofern war die Niedersachsenwahl dann doch eine halbe Richtungswahl, denn mit dem rechnerischen Endergebnis “große” Koalition ist das wesentliche Vorzeichen für die Bundestagswahl 2013 gesetzt. Nicht, dass man sich hätte wundern sollen.
Gerrit Liskow via haolam
No comments:
Post a Comment