Die Geschichte des tunesischen Islamisten und Ben-Ali-Oppositionellen Larbi Guesmi ist in mehrfacher Hinsicht erhellend. Der Informatiker war 1993 als Kader der verfolgten Partei Nahda in die Schweiz geflüchtet und hatte um politisches Asyl ersucht. Dieses wurde ihm gewährt. Während rund 18 Jahren lebte er im Kanton Neuenburg und engagierte sich unter anderem in der «Association Culturelle Musulmane de Neuchâtel». Dort wirkte Guesmi zeitweise auch als Imam.Der anerkannte Flüchtling machte immer wieder durch provokative Aktionen und radikale Äusserungen auf sich aufmerksam. So nahm er im Februar 2006 an vorderster Front an der Demonstration gegen die Mohammed-Karikaturen auf dem Berner Bundesplatz teil. Ende 2010 verherrlichte er in einem Gedicht, das er auf der arabischsprachigen Webseite alhiwar.net veröffentlichte, das Tragen von Sprengstoffgürteln. Dafür wurde er vom Regionalgericht in Boudry im Kanton Neuenburg im Februar 2011 wegen «öffentlichen Aufrufs zur Gewalt» zu einer bedingten Gefängnisstrafe von 90 Tagen und einer Busse von 300 Franken verurteilt. Guesmi sprach von einem sprachlichen Missverständnis. Er habe in seinem Gedicht nicht von «Sprengstoffgürteln» gesprochen, sondern von der «Entschiedenheit», gegen die Besatzungsmacht Israel zu kämpfen. Doch er verzichtete auf einen Rekurs. In der Westschweiz nahm Guesmi auch verschiedentlich an Podiumsveranstaltungen im Fernsehen und anderen Anlässen teil, an denen er stets mit seiner prononciert islamistischen Einstellung auffiel.
Nach der Flucht des Präsidenten Ben Ali kehrte Guesmi nach Tunesien zurück und machte dort unter der islamistischen Regierung rasch Karriere. So wurde er in die Shura, die oberste Instanz der Nahda-Partei, gewählt, erhielt aber wie viele andere geflüchteten Nahda-Kader auch eine Anstellung in der staatlichen Verwaltung. Doch laut tunesischen Medien ist Guesmi vor kurzem aus dem Staatsdienst entlassen worden. Dabei dürften ihm seine öffentlichen Stellungnahmen, die stets von einer radikalen Gesinnung zeugten, zum Verhängnis geworden sein.
Landesweite Beachtung fanden insbesondere die hasserfüllten Äusserungen von Guesmi nach der Zerstörung von Nahda-Parteilokalen in verschiedenen tunesischen Städten im November 2013. Unbekannte hatten damals, kurze Zeit nach der Ermordung des linken Abgeordneten Mohammed Brahmi, Parteilokale der Nahda in der südtunesischen Wirtschaftsmetropole Sfax sowie in anderen Städten angegriffen und verwüstet. Sie wollten auf solche Weise die angebliche Verwicklung der islamistischen Partei in den Mord rächen. Die Täter seien «tollwütige Hunde», liess Guesmi gegenüber tunesischen Medien verlauten. Gleichzeitig rief er mit hasserfüllten Worten zur Selbstverteidigung und zur Lynchjustiz auf. «Wer uns angreift, den töten wir!», sagte Guesmi und fügte bei, die Nahda solle nicht die Rolle als gemässigte und der Gewaltlosigkeit verpflichtete Partei spielen. Das sei alles Bockmist (foutaise). Seitens tunesischer Kommentatoren wurden Guesmis Äusserungen als «faschistisch» eingestuft. Klar ist auf jeden Fall, dass sich der Nahda-Hardliner nicht nur in seinem Schweizer Exil, sondern auch in Tunesien immer wieder zu öffentlichen hasserfüllten Aufrufen hat hinreissen lassen, die dem gemässigten Profil seiner Partei fundamental widersprechen und Zweifel an seiner demokratischen Gesinnung aufkommen lassen.
nzz
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