In Bezug auf die Abschiebung von acht Straftätern nach Afghanistan,
die sich unter anderem der Vergewaltigung und des schweren sexuellen
Kindesmissbrauchs schuldig machten, sagte Caritas-Präsident Peter Neher:
„Wir halten daher auch weiterhin an einem Abschiebestopp fest, um zu
verhindern, dass die Menschen in das voraussehbare Unglück geführt
werden.“ Und Diakonie-Präsident Ulrich Lilie: „Auch wenn es sich bei den
Abgeschobenen um Straftäter (…) handelte, dürfen diese Menschen nicht
aus wahltaktischen Gründen einer Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt
werden. Das ist auch mit unserem Verständnis eines Rechtsstaats, in dem
auch Täter einen Anspruch auf Schutz haben, nicht vereinbar.“
Das Perfide an letzterer Aussage ist die Unterstellung der
„wahltaktischen Gründe“. Damit auch ja keiner auf die Idee kommt, dass
es um den Schutz potenzieller Gewaltopfer gehen könnte? Oder dient
dieser Einschub der Verschleierung der Tatsache, dass dem Täterschutz
hier mehr Relevanz beigemessen wird, als dem Schutz der Bevölkerung? Wie
anders jedenfalls käme folgender Satz an: „Auch wenn es sich bei den
Abgeschobenen um Straftäter (…) handelte, dürfen diese Menschen nicht
aus Gründen von Schutz- und Sicherheitsinteressen der Bevölkerung einer
Gefahr für Leib und Leben ausgesetzt werden.“
Die wahltaktischen Gründe könnten indessen bei Diakonie und Caritas selbst eine Rolle spielen. Spätestens seit einem sehr ausführlichen Beitrag in der Wirtschaftswoche
vom November 2012 „über die Untiefen des deutschen Sozialsystems“ ist
bekannt: „In den Wachstumsfeldern des Sozialstaats spielen die
kirchlichen Wohlfahrtsträger Caritas und Diakonie die entscheidenden
Rollen. Unter dem Deckmantel der Gemeinnützigkeit haben sie ein
expansives Perpetuum mobile konstruiert: Sie erfinden sich selbst immer
neue Aufgaben, der Staat gibt das Geld.“ Die Verbände an allen
Schalthebeln, ausgestattet mit einer „immensen Macht“ und dem Willen,
keinesfalls „auf ihre Privilegien“ zu verzichten. „Doch von der
politischen Seite müssen die Wohlfahrer trotz dieser Doppelzüngigkeit
nichts fürchten.“ Bis dato, kurz vor der Bundestagswahl, ist das
sicherlich der Fall.
Die „Wohlfahrer“ treffen mit ihrer Entscheidung pro vorrangigen
Täterschutz nicht nur bei den ganz Linken und der grünen Jugend auf
Gegenliebe. Wie Teile der SPD diesbezüglich ticken, verdeutlicht ein
aktuelles, von weiteren Medien verbreitetes Interview des Deutschlandfunks
(DF) mit dem SPD-Innenpolitiker Rüdiger Veit. Er hält es „angesichts
der Sicherheitslage für unvertretbar, abgelehnte Asylbewerber nach
Afghanistan abzuschieben. Das gelte auch für Straftäter.“ Diese sollten
in Deutschland ihre Strafe verbüßen. In den schon jetzt überfüllten Gefängnissen?
Weitere Fragen des DF: „Aber geht denn nicht der Schutz der eigenen
Bevölkerung vor dem Schutz dieser Schutzsuchenden, die ja auch abgelehnt
sind?“ Veit: „Es geht hier nicht darum, dass die Betreffenden bei uns
Schutz finden müssten. Es geht um die Frage, ob man sie in Lebensgefahr
bringen kann, dadurch, dass man sie in ihren Heimatstaat abschiebt, und
auch Straftäter können Träger, beziehungsweise sind Träger von
Menschenrechten…“ DF: „Haben Sie nicht das Gefühl, dass das vielen
Wählerinnen und Wählern gar nicht unbedingt so vermittelbar ist, dass
jemand, der hier wirklich schwere Straftaten begeht, dann auch weiterhin
unter unserem Schutz steht?“ Veit: „Das ist ja das, was ich versuchte,
eben zum Ausdruck zu bringen. Es geht hier nicht um die Frage des
Schutzes, den der Betreffende natürlich dann eben nicht dauerhaft
bekommen kann.“ Dieses Lavieren geht bis zum Schluss des Interviews
weiter. Auch hier wird partout nicht unmissverständlich zugegeben, dass
eine Entscheidung zu Ungunsten des Schutzinteresses der Bevölkerung
gefallen ist.
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