Wenige Tage vor der Bundestagswahl sorgt ein Gutachten für
Irritationen. Das von den Juristen des Wissenschaftlichen Dienstes im
Bundestag angefertigte Papier behandelt die Frage, ob nicht das
Parlament im Herbst 2015 über den Massenzuzug so genannter
Schutzsuchender hätte abstimmen müssen. Wie die "Welt"
berichtet, stellten die Juristen des Parlaments darin fest, dass die
Bundesregierung bis heute nicht erklärt habe, auf welcher
Rechtsgrundlage sie damals ihre Entscheidung traf.
Das Gutachten
könnte nach der Bundestagswahl noch wichtig werden, da FDP und AfD
angekündigt haben, nach einem möglichen Einzug in den Bundestag einen
Untersuchungsausschuss zur Flüchtlingspolitik Merkels anzustreben. Unter
Verweis auf die "Wesentlichkeitslehre" und das "Demokratie- und
Rechtsstaatsprinzip" sei der Gesetzgeber verpflichtet, "in grundlegenden
normativen Bereichen […] alle wesentlichen Entscheidungen selbst zu
treffen", argumentieren die Juristen. Die Frage, ob die Massenaufnahme
der Flüchtlinge eine "wesentliche" Entscheidung war, beantworten die zur
strikten Neutralität verpflichteten Wissenschaftler nicht explizit.
Stattdessen verweisen sie auf ein Urteil des
Bundesverfassungsgerichts zum Familiennachzug: Demnach "… obliegt es der
Entscheidung der Legislative […], ob und bei welchem Anteil
Nichtdeutscher an der Gesamtbevölkerung die Zuwanderung von Ausländern
ins Bundesgebiet begrenzt wird". Demnach hätte das Parlament sehr wohl
entscheiden müssen. Dies aber ist nie geschehen. Tatsächlich war die als
"Grenzöffnung" empfundene Massenaufnahme von Flüchtlingen am 4.
September 2015 auf Anordnung von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nur
nach Rücksprache mit einzelnen Ministern erfolgt. Auch nachträglich
stimmte das Parlament nie über diese Maßnahme ab.
Das Gutachten
des Wissenschaftlichen Dienstes führt weiter aus, dass die
Bundesregierung bisher keine Angaben über die rechtliche Grundlage ihrer
Entscheidung gemacht habe. Eigentlich hätten nach geltender
Gesetzeslage die aus dem sicheren Drittstaat Österreich kommenden
Flüchtlinge an der Grenze abgewiesen werden müssen.
Eine Ausnahme von der daraus resultierenden Verpflichtung zur
Einreiseverweigerung sei bei Vorliegen einer entsprechenden Anordnung
des Bundesministeriums des Inneren möglich. Eine solche Anordnung gab es
jedoch ebenfalls nicht. Auch das so genannte Selbsteintrittsrecht, mit
dem Deutschland Asylbewerber aufnehmen kann, die eigentlich in anderen
Ländern bleiben müssten, ist nie von der Bundesregierung offiziell in
Anspruch genommen worden.
Das Gutachten geht zurück auf die
Bundestagsabgeordnete der Linken, Sevim Dagdelen, wie die "Welt"
berichtet. Dagdelen kommentiert: "Die Kanzlerin sollte aus Respekt vor
dem Bundestag dazu Stellung nehmen." Es sei richtig gewesen, 2015
"Menschen zu helfen". Das Gutachten zeige aber, wie bedenkenlos Merkel
und ihr Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) damals vorgegangen seien und so
am Ende die AfD gestärkt hätten.
Leider haben sie weder den Bundestag noch die Nachbarländer in den Entscheidungsprozess einbezogen.
Das Gutachten im Auftrag der Linken könnte nun, so kurz vor der
Bundestagswahl, unfreiwillig für Rückenwind bei Merkel-Kritikern von
rechts sorgen. Erstaunlich ist auch der Zeitpunkt der medialen
Thematisierung des Gutachtens.
Auf Anfrage von RT Deutsch erklärte
der Wissenschaftliche Dienst des Bundestags, dass das in der "Welt"
erwähnte Gutachten bereits im Mai 2017 erstellt wurde, und nach Ablauf
einer vierwöchigen Schutzfrist auf der Internetseite des Bundestages
veröffentlicht wurde. Warum die "Welt" und weitere Medien es erst jetzt,
auf der Zielgeraden des Bundestags-Wahlkampfs, aufgreifen, lässt Raum
für Spekulationen.
https://deutsch.rt.com/document/59c4d8640d0403aa4c8b4567/amp/57708-wissenschaftlicher-dienst-bundestags-zweifelt-rechtsgrundlage-fuer-grenoeffnung-von-2015-an
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