Der Iran und die Palästinenser von thomas von der osten-sacken
Nichts spricht nach dem gegenwärtigen Stand der Dinge dafür, dass das Friedensabkommen, das die Hamas und die Fatah Ende der vorigen Woche in Mekka unterzeichnet haben, länger als ein paar Wochen Bestand haben wird. Unabhängig davon aber ist es den Saudis mit ihrer Schlichtung des Konflikts gelungen, die Bedeutungslosigkeit der arabischen Länder in der regionalen Politik zumindest für den Moment zu durchbrechen. Viel mitzureden hatten sie in den letzten Monaten nicht. So marschierten in Somalia, immerhin ein Mitglied der Arabischen Liga, äthiopische Truppen ein, in Darfur sind Einheiten der Afrikanischen Union stationiert, die Politik des Libanon wird vom Iran bestimmt, von der Rolle der USA im Irak ganz zu schweigen. Wie Rami G. Khouri kürzlich in der libanesischen Zeitung Daily Star bemerkte, scheint sich eine neue regionale Ordnung herauszubilden, die fast völlig von »nicht-arabischen Akteuren dominiert« wird.
So gesehen hat Saudi-Arabien arabische Akteure ins Spiel zurückgebracht. Doch dass mit der Hamas eine ursprünglich den Muslimbrüdern zugehörige Organisation am Verhandlungstisch saß, die in Abhängigkeit vom Iran geraten ist, zeigt einen bedeutenden Wandel. Denn egal, ob die Fatah tatsächlich, wie sie Anfang Februar behauptete, in Gaza sieben Mitarbeiter des iranischen Geheimdienstes festgenommen hat – dass der Iran die Hamas finanziell und militärisch unterstützt, ist nicht erst seit dem letzten Besuch von Ministerpräsident Ismail Hanija im Dezember in Teheran bekannt. Und nicht nur in den palästinensischen Gebieten mischt der Iran in einer Weise mit, die bis vor kurzem undenkbar schien, auch im Libanon und im Irak wächst der Einfluss des Iran. Aber nicht überall in der Region stößt dies auf Begeisterung.
Denn auch wenn sich Mahmoud Ahmadinejad und al-Qaida darin einig sind, dass die Zerstörung Israels und die »Befreiung« Palästinas die wichtigsten Ziele seien, herrscht schon in der Frage des Umgangs mit den real existierenden Palästinensern größte Uneinigkeit. Vor wenigen Tagen erklärte Abu Omar al-Baghdadi, der Anführer von al-Qaida im Irak, die Hamas sei eine »Truppe von Idioten«, wenn sie sich weiterhin vom Iran unterstützen lasse. Zugleich bot er den Palästinensern, die in Bagdad leben, eine neue Heimat in von Schiiten »gesäuberten« Dörfern an. Wenige Tage zuvor hatte der vom Iran unterstützte irakische Milizenführer Muqtada al-Sadr gedroht, seine Leute würden alle Palästinenser töten, die nicht umgehend den Irak verlassen.
Während der Mann von al-Qaida einen atomaren Angriff der USA auf den Iran durchaus als List Gottes befürwortet und seine sunnitischen Glaubensbrüder im Iran auffordert, sich von militärischen Anlagen fernzuhalten, befürwortet ein Namensvetter von ihm, der schiitische Kleriker Ayatollah Ahmad al-Baghdadi, die atomare Aufrüstung des Iran. In einem Interview mit dem Fernsehsender al-Jazeera sagte er jüngst, die Aufrüstung sei nötig, um langfristig die USA und Israel zu vernichten.
Die beiden haben nicht nur den Nachnamen gemeinsam, ihr tödlicher Wahn lässt erahnen, was den Nahen Osten erwartet, wenn man weiterhin glaubt, dass Abkommen wie das von Mekka die Folge eines Handelns von Leuten seien, denen einigermaßen vernünftige Interessen zu unterstellen wären. Das Gegenteil aber ist der Fall: Sich gegenseitig hassend und misstrauend, jeder gegen jeden und alle gegen Israel und die USA werden sie so lange weitermachen, bis ihnen jemand Einhalt gebietet oder der Nahe Osten sich endgültig in jene Trümmerwüste verwandelt hat, die sie sich alle herbeizusehnen scheinen. Waffenstillstände und Friedensabkommen sind auf diesem Weg bestenfalls kurze Pausen, um die Kriegskasse und die Waffenarsenale aufzufüllen.
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