"Wer sind die ISIS? Sollte ein Muslim sie unterstützen?" – so lautet der Titel eines Videos, das am 21. August auf die Homepage "As Sirat“, der Webseite der As-Sahaba-Moschee, gestellt wurde. Der Imam der As-Shahaba-Moschee, Ahmad A. - ein Berliner, Mitte dreißig - ist in der Gebetsstätte am Rednerpult zu sehen. Ein vielstimmiges Gemurmel im Hintergrund zeigt, dass es sich um eine öffentliche Ansprache handelte.
Ahmad A. spricht zunächst über eine islamistische Gruppe, die in Syrien kämpft. Da er ausführt, dass die Vereinten Nationen sie als Terrororganisation einstufen, kann es sich nur um die Gruppe "Al-Nusra" handeln: "Dann sind Leute aufgestanden. Männer! Männer! Und ich nenne sie Männer. Mujahedin! (Gotteskrieger) Und sie haben diesen Tyrannen Assad bekämpft", schreit Ahmad A. aufgebracht. Über die Einschätzung der Vereinten Nationen sagt Ahmad A.: "Wer seid Ihr, dass Ihr bestimmt, wer Terrorist ist? Möge Allah diesen Leuten geben, was sie verdienen."Als Ahmad A. das Video Ende August einstellte, gab es bereits ernst zu nehmende Berichte, wonach die vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen der Al Qaida zugeordnete "Al-Nusra"-Miliz an Massakern beteiligt war und möglicherweise noch ist. Schon im Oktober 2013 hatte "Human Rights Watch" mitgeteilt, Al-Nusra habe in alawitischen Dörfern rund 190 Zivilisten umgebracht und weitere rund 200 als Geiseln genommen.
Dies erwähnt Prediger Ahmad A. mit keinem Wort. Mit eifernder Stimme ruft er seinen Anhängern zu: "Diese Mujahedin haben sich zusammengeschlossen und bestimmte Gebiete befreit! Der Jihad am Anfang in Syrien war sehr gesegnet!"
Ausführlich schildert der Prediger die Verbrechen des Diktators Assad: Hinrichtungen und sogar Giftgasangriffe. Assad, betont der Prediger, sei Alawit. Dem Prediger zufolge ist Gewalt auch gegen andere Alawiten legitimiert, denn: "Die Alawiten sind keine Muslime, weil sie die nächsten sind zu den Christen", so Ahmad A. wörtlich.
Über "Chawaridsch" (abtrünnige Muslime) sagt Ahmad A. unter Bezugnahme auf "Gelehrte": "Sie sind die Hunde des Höllenfeuers. (…) Das Paradies oder ein Baum im Paradies ist die Belohnung für denjenigen, der sie tötet."
Ahmad A. kritisiert in seinem Vortrag die Terrorgruppe "Islamischer Staat" (IS) – allerdings nicht dafür, dass deren Mitglieder Morde und Vergewaltigungen begehen. Ahmad A. wirft den Milizen des IS lediglich vor, dass sie die Falschen umbrächten: "Sie haben die Aya (den Vers) von Allah umgesetzt: ´Tötet alle in eurer Nähe´ - aber nicht die Kuffar (Ungläubigen), sondern die Muslime."
Ungläubige sind im Jargon der jihadistischen Salafisten Andersgläubige wie etwa Jesiden oder Christen. Die nicht-muslimischen Syrer bezeichnet Ahmad A. pauschal als "Kuffar" (Ungläubige). Für sie gelte das Koranzitat: "Wenn sie in euer Land kommen, um euch zu töten, um euch eure Religion zu nehmen, dann tötet sie." Ausdrücklich unterscheidet der Prediger hier nicht zwischen syrischen Soldaten und Zivilisten.Direkt danach zeigt die Filmaufnahme den Prediger, wie er seinen Zuhörern ein Gräuelvideo aus Syrien vorspielt. Dort brüllen IS-Milizen zahlreiche gefesselte, auf dem Boden knieende Männer an: "Tauba!" (Bereue!) Ein Gefangener spricht daraufhin die "Shahada", das islamische Glaubensbekenntnis. Gleich darauf werden alle Männer erschossen.
Ahmad A. teilt seinen Zuhörern mit: Der Mann, der zum Islam übertreten wollte, hätte nicht erschossen werden dürfen. Der Prophet Muhammed habe verfügt, dass Gotteskrieger diejenigen Nicht-Muslime verschonen müssen, die zum Islam konvertieren. Über die Tötung der mehr als zwanzig anderen Männer in dem Gräuelvideo hingegen verliert der Prediger kein Wort.Imam Ahmad A., der sich in der Szene "Abul Baraa" nennt, macht nicht zum ersten Mal von sich reden. Ende 2010 veröffentlichte er im Netz eine Rede unter der Überschrift "Warte nicht auf den Tod, sondern laufe ihm entgegen." Ein Jahr später wurden Ansprachen bekannt, in denen er Deutsche als "Tiere" beschimpfte.
Ein versprengter Einzelgänger? Keineswegs. Ahmad A. ist vielmehr einer der bekanntesten salafistischen Prediger in der Hauptstadt. In der As-Sahaba-Moschee predigt und unterrichtet er inzwischen an sechs Abenden die Woche, wie der Moschee-Website zu entnehmen ist. Zum Freitagsgebet erscheinen stets über hundert Menschen; es sind fast ausschließlich Jugendliche und Heranwachsende, die meisten davon mit Migrationshintergrund. Viele Frauen tragen den "Niqab", den schwarzen Ganzkörperumhang, der nur einen Schlitz für die Augen freilässt.
Dem Verfassungsschutz zufolge ist die As-Sahaba-Moschee die einzige rein salafistische Moschee in Berlin. Gemäßigte Muslime gehen überhaupt nicht dorthin. Der Prediger "Abul Baraa" fährt regelmäßig auf Tournee und ist im September in Moscheen beispielswiese in Duisburg, Wuppertal, Köln und Kerpen zu sehen.
Eröffnet wurde die As-Sahaba-Moschee im Ramadan 2010. Im Vereinsregister standen für den "As-Sahaba – die Gefährten e.V." zwei völlig unbekannte Berliner Muslime. Wer jedoch vor Ort nach dem „Emir“, dem Gemeindevorstand, fragte, wurde mit Reda S. bekannt gemacht. Sein Name stand am Briefkasten.
Reda S. ist ein bundesweit bekannter Islamist. Gegen den heute 54-Jährigen ermittelte seit 2002 das Bundeskriminalamt, weil er den Terroranschlag auf eine Touristenmeile auf Bali mit 202 Toten finanziert haben soll. Trotz der laufenden Ermittlungen konnte Reda S. vor anderthalb Jahren ungehindert ausreisen; Sicherheitskreisen zufolge zunächst nach Ägypten. Zeitweise sollte er sich in Syrien aufhalten. Sein aktueller Wohnsitz ist – zumindest offiziell – nicht bekannt.
Prediger Ahmad A. stand für eine Stellungnahme nicht zur Verfügung. Er hat auf eine Anfrage eine Woche lang nicht reagiert. Seine Rede wurde auf Youtube bisher gut 24.000mal abgerufen.
rbb-online
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