Monday, August 05, 2013

Kommentar: Entzückung über einen palästinensischen Juden

Die Nachrichtenagentur dpa hat sich auf einen schlaksigen 16-Jährigen aus Tel Aviv gestürzt und ihn zu ihrem Friedenshelden gekürt. Auch der „Spiegel“ veröffentlichte diese romantische Geschichte unter dem traumhaften Titel: „Palästinensische Juden – Nationalität gibt es nur, solange Menschen daran glauben“.
Schön wäre es, wenn alles so einfach wäre, wie Anan Jablonko behauptet, während die Journalisten blauäugig seine politische Weltanschauung wiedergeben, ohne auch nur eine einzige kritische Frage zu stellen.
Anan hat eine „palästinensische Mutter“, Nihad. Sein Vater ist „der aus Polen stammende Jude Anatol”. Der Klavier-spielende Junge liefert den Presseleuten den Schlüssel zum Frieden auf Erden: „Ich bin ich selbst, ich brauche kein Etikett und auch kein jüdisches Israel, wie es Netanjahu immer fordert.“ Denn Anan ist kein richtiger Jude wegen seiner arabischen Mutter und kein richtiger Palästinenser, weil sein Vater Jude ist. Und ein Seitenhieb gegen Benjamin Netanjahu passt immer, obgleich die Unabhängigkeitserklärung Israels schon vor der Geburt des Premierministers einen „jüdischen Staat“ erwähnte.
Dem tiefschürfenden Spruch des 16-Jährigen folgen Beispiele der Diskriminierung von Arabern in Israel, etwa im Vergnügungspark „Superland“. Erwähnt wird, dass sich “Medien und Politik” gegen diesen Rassismus, separate Besuche von jüdischen und arabischen Schülern, erhoben haben. Unerwähnt bleibt, dass der oder die Betreiber diesen “Rassismus” schon einen Tag später wieder aufgehoben haben, obgleich die Trennung angeblich wegen Prügeleien unter den Schülern eingeführt worden war. Schlechtes Beispiel also, dem Staat Israel Rassismus vorzuwerfen, wenn dieser wegen Protesten ganz schnell wieder gestoppt wird. Und aus guten Gründen haben die Journalisten weder erwähnt noch geprüft, wie geduldet Juden in den palästinensischen Gebieten sind, oder auch nicht. Rassismus gibt es nur in Israel.

Undifferenzierte Darstellung

Nach der Feststellung, dass arabische und jüdische Bürger Israels vor dem Gesetz gleichberechtigt seien, kommt die Erkenntnis: „Aber die Aufstiegschancen in Staat, Militär und Wirtschaft sind für Palästinenser ungleich schlechter als für Juden.“
Klar doch. „Palästinenser“ leben in den Autonomiegebieten. Laut dpa sind auch die arabischen Staatsbürger Israels „Palästinenser“. Sind die etwa Doppelstaatler, mit israelischem und palästinensischem Pass? Natürlich nicht. Man stelle sich vor, die Deutsche Presse-Agentur würde „Deutsche mit Migrationshintergrund“ als Türken bezeichnen, obgleich sie einen deutschen Pass besitzen. Einen derartigen Schnitzer kann sich kein deutscher Journalist leisten. Aber für Israel gelten andere Gesetze und auch andere Sprachregelungen. Da ist halt jeder Araber auch „Palästinenser“.
Der zitierte Satz verheimlicht zudem ein kleines, aber relevantes Detail. So gibt es in Israel Gesetze, die Soldaten nach drei Jahren Militärdienst finanzielle Vorteile gewähren. Das ist natürlich eine schlimme Diskriminierung gegen israelische Araber, die drei Jahre früher studieren oder Geld verdienen können, weil sie vom Militärdienst befreit sind.
Araber können sich freiwillig zum Militärdienst melden, was inzwischen viele tun, um bessere Berufschancen haben. Denn tatsächlich gibt es Firmen, die schauen, ob ein Bewerber Militärdienst geleistet hat. Zum Glück ist in Deutschland nie geprüft worden, ob Bewerber mit Vornamen wie Mehmet, Ahmed oder Mohammad schlechter behandelt werden, als ein Hans, Fritz oder Christian. Denn in Deutschland gibt es natürlich keine Diskriminierung.
Nach einigen Zitaten aus der linksgerichteten Zeitung „Ha‘aretz“ mit weiteren ins Konzept passenden Aussagen kommt eine weitere törichte Aussage des 16-jährigen Politologen: Anan empfindet diesen Konflikt als künstlich, von Politikern geschürt und benutzt. „Nationalität gibt es nur, solange Menschen daran glauben. Und ich tue das nicht. Es ist doch völlig egal, ob einer dunkle oder helle Haut, eine große oder kleine Nase hat oder Jude oder Moslem ist“, sagt er.
Natürlich hat er vollkommen recht. Nur warum stellen ihm die Journalisten keine Frage nach seinem jüdischen Vater aus Polen? Wieso hat es ihn oder seine Familie ausgerechnet nach Palästina verschlagen? Spielt Nationalität, Religionszugehörigkeit, oder wie man das vor knapp 70 Jahren bei den Nazis nannte, die „Rasse“, wirklich keine Rolle? Für einen Jungen aus einer gemischten Ehe mag Nationalität tatsächlich unwichtig klingen. Aber leider werden weltweit Juden, Christen, Schiiten, Sunniten wegen ihrer Hautfarbe, Nase oder Religionszugehörigkeit verfolgt oder gleich abgeschlachtet. Und leider werden weltweit Kriege geführt, weil fast alle an „Nationalität“ glauben.

Nur ein Intermezzo

Für die Agenturjournalisten war die Reportage über die relativ seltene Spezies eines „palästinensischen Juden“ nur ein kurzes Intermezzo, denn sonst schreiben sie mit Inbrunst und Überzeugung über den legitimen „nationalen“ Kampf der Palästinenser und verurteilen die „nationalistischen“ Israelis.

Von Ulrich W. Sahm / INN

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