Der heimliche Orientalismus Deutschlands,durchleuchtet von Fred Alan Medforth
Wednesday, October 08, 2014
Hilfe, die Antifaschisten kommen!
Grüner und Linker Diskurs gegen Waffenlieferungen an die Kurden
Warum entdecken Grüne und Linke gerade dann ihren in Europa einzigartigen Pazifismus wieder, wenn es um Völkermord geht? Warum beginnen sie gerade dann, wenn schnelles Handeln und Nothilfe angesagt ist, zuallererst eine Debatte über mittelfristige bis langfristige Maßnahmen, ohne eine Alternative für die heftigste von ihnen umstrittene Soforthilfe der Bundesregierung bieten zu können?
Hört man sich die Kommentare der Grünen an, könnte man glauben, dass sich der „IS“ („Islamischer Staat“) an einen Verhandlungstisch setzen würde. Sollte man etwa ganz abgesehen davon auch noch über die wahnsinnigen Vorstellungen des „IS“ eine Einigung erzielen? Die Grünen sprechen fortlaufend von Maßnahmen, die eine vor der Abwehr des „IS“ herzustellende Stabilität voraussetzen. Den militärischen Vormarsch des „IS“, der sich wohl kaum allein durch die zu spät erfolgte Bildung einer neuartigen Regierung aufhalten lässt, blenden sie dabei vollkommen aus. Menschenleben mussten sofort gerettet werden und wären es auch nicht erst, wenn die Emire von Katar und Saudi-Arabien bloßgestellt oder das doppelte Spiel der Türkei gerügt sein würden. Ganz abgesehen davon, ist diesen Staaten jegliche Kritik herzlich egal.
Auf die Frage nach einer Alternative wichen sie wie Claudia Roth auf schöne Worte wie die „humanitäre Offensive“ aus, deren Notwendigkeit keiner bestritt. Oder auf die zusätzlichen Maßnahmen, die neben den Waffenlieferungen getroffen werden müssen, die auch keiner bestritt. Die Kurden sollten Claudia Roth zufolge nicht vorgeschickt werden um zu den IS zu bekämpfen, aber leider waren sie schon dort, wo die Angriffe stattfinden. Wer hätte die kurdischen Eziden und die Christen sonst verteidigt? Ihren Feind haben sich die Kurden nicht ausgesucht, sie sind keinesfalls Konfliktpartei in einem klassischen Konflikt.
Grüne und Linke schienen aber genau das zu suggerieren.
Vom Pazifismus der Grünen angesteckt, der suggeriert, dass Waffen im Irak auf der Straße zu finden seien, behaupten auch Linke: „Der Mittlere Osten ist voll mit Waffen, Waffen werden dort nicht noch mehr gebraucht“. Das ist das verheerende und realitätsferne Pauschalurteil von Linken und Grünen gegen die Waffenlieferungen an die Kurden.
Bis hin zu blankem Zynismus ist in diesem Diskurs alles zu finden.
Plötzlich gab sich die sich sonst kurdenfreundlich gebende Linkspartei darüber besorgt, dass die Kurden ihr Selbstbestimmungsrecht fordern könnten. Gregor Gysi, der sich ausgerechnet in einer Gewissensfrage dem Fraktionszwang seiner Partei beugte und von seiner ursprünglichen Position, die von seiner antifaschistischen Einstellung zeugt, abgewichen war, trug die Begründungen des Entschließungsantrags der Linken im Bundestag vor. Und kritisierte, um noch eins draufzusetzen, die Tatsache, dass am Jahrestag des Angriffs auf Polen über die Entschließungsanträge zu den Waffenlieferungen an die Kurden abgestimmt wurde. Anscheinend ist er sich nicht darüber im Klaren, dass die seltsame Analogie der Linken eine Umkehrung enthält. Die Waffen sollten ja bekanntlich nicht dem Angriff durch den „IS“, sondern der Abwehr der vom“ IS“ angegriffenen Kurden und Christen dienen und einen Genozid verhindern. Die historische Anschuldigung ist somit völlig verfehlt.
Auch Jakob Augstein nimmt eine Umkehrung vor, eine viel gravierendere allerdings. Blasiert, zynisch und unwissend gab sich Jakob Augstein in der viel beachteten Fernseh-Sendung „Hart aber fair“ vom 25.08.14 „Flagge zeigen und Waffen liefern. Deutschlands neue Rolle?“ und in seinem Spiegelonline Artikel vom 21.08.14: „Im Zweifel links: Bekämpfen, was wir selber schaffen.“ zu erkennen. Der arrogante Vorschlag Augsteins, die Augen vor den grausamen Bildern zu verschließen, um nicht unter moralischen Druck zu geraten, wurde wie seine unbewiesenen Behauptungen von der Diskussionsrunde völlig arglos angenommen.
Wozu brauchen wir Bilder, um zu wissen, was politisch und ethisch richtig ist? Es geht hier gar nicht um „Bilder oder nicht Bilder“, es geht darum, dass Augstein die Augen vor dem Genozid verschließen möchte und andere ebenfalls dazu auffordert. Dass er von moralischem Druck spricht, lässt an eine Art von perfider Erpressung durch die Eiden denken.
Vermutlich um nicht zu den als realitätsfern und naiv bezeichneten Pazifisten gerechnet zu werden, die er aus dieser Position heraus bequem verteidigen kann, behauptete er in einem gleichgültigen Tonfall, er hätte ja nichts gegen die Waffenlieferungen, sofern sie helfen würden. Sie würden aber nicht helfen, wie man ja gesehen habe. So einfach ist der geschuldete Gegenbeweis vom Tisch gefegt. Die Realitäten in Kurdistan zählen dabei nicht. Es geht nur um Eitelkeiten und Selbstinszenierung. Augstein hat nämlich nicht die geringste Ahnung, ob sie helfen oder nicht. Und erst recht nicht interessiert ihn die Notlage der Kurden, die nicht auf den Ausgang von artifiziellen Befindlichkeiten warten konnten.
Ohne Verifizierung oder Differenzierung sprach Augstein davon, dass die Kurden aus Syrien ja ebenso Menschenrechtsverletzungen begangen hätten. Was will er damit sagen, trägt man sich, wenn nicht indirekt das Vorgehen der Kurden mit dem des „IS“ gleichzusetzen?
Das Schlimmste an seinem Artikel ist die Analogie, die er verwendet, um sich gegen die Abwehr des „IS“ mit Waffengewalt zu wenden. „Erst entmenschlichen, dann töten“, lautet seine Anschuldigung gegen die, die keine andere Möglichkeit sehen, als mit Waffengewalt gegen den „IS“ vorzugehen. Es kann ja wohl kaum jemandem entgehen, dass das Vorgehen der Nazis gegenüber den Juden so beschrieben wird. Zuerst wurden sie sprachlich durch die Nazis entmenschlicht, dann getötet. Nahezu alle Historiker des Holocaust beschreiben diesen Vorgang und diese Strategie der Nazis auf diese Weise.
Wenn man Augsteins Logik auf die Vergangenheit angewendet folgt, hätte demnach nicht die Tötung der Juden so beschrieben werden müssen, sondern die Tötung von Nazis durch bewaffnete Widerstandskämpfer oder Staaten wie Großbritannien.
Seit über einem Jahrzehnt dreht sich nicht nur die Erde weiter um die Sonne, sondern auch die Politik um sich selbst. Ehemals linke Positionen tauchen bei den Konservativen auf und umgekehrt. Grüne und Linke lebten ihre Sehnsucht nach Toleranz und Esoterik aus, indem sie die ideologischen Zentren des Islamismus in der Bundesrepublik durch Verharmlosung förderten. Sie taten so, als führten die Konservativen immer noch den gleichen Diskurs wie in den 80-er und 90- er Jahren, hatten also keine adäquate Antwort darauf.
Die Anschuldigung, die Moslems auszugrenzen, war ein Grund dafür, dass die Konservativen auf Islamgipfel auswichen. Nichtmuslimische MigrantInnengemeinschaften, die sich von den islamischen Gemeinschaften unter Druck gesetzt fühlten, wurden von Grünen und Linken wie Konservativen weitgehend ignoriert. Die Islamgipfel zwangen alle MigrantInnengruppen aus dem Mittleren Osten mehr oder weniger unter das Etikett „Moslem“. Die Konflikte, die diese Gruppen bereits mit der Unterdrückung durch den Islamismus in den Heimatländern hatten, setzten sich hier fort. Diejenigen, die darauf hinzuweisen versuchten, wurden von Linken und Grünen über Toleranz belehrt. Eine Auseinandersetzung über gemeinsame Werte, die im Gegensatz zu den Selbsttäuschungen über den Islamismus integrierend gewirkt hätte, konnte auf diese Weise nicht stattfinden.
Eines der Ergebnisse dieser verfehlten Politik ist es, dass das Thema Islamismus heute von einer populistischen Rechten vereinnahmt wird. Die islamischen Autoritäten scheint das aber wenig zu stören. Ihre Strategie besteht seit vielen Jahren darin, sich als diskriminierte Opfer darzustellen. Im Extremfall wollen sie mit den Opfern des Holocaust assoziiert werden. Gleichzeitig versuchen sie mit Zuckerbrot und Peitsche eine Identifikation mit dem Islam bei resistenten MigrantInnengruppen zu erreichen. Die Verurteilung des „IS“ durch islamische Autoritäten erfolgte, wenn überhaupt, sehr spät.
Die Verbissenheit, mit der Linke und Grüne die Waffenlieferungen der EU-Länder und insbesondere natürlich der Bundesrepublik verurteilen und sich damit innerhalb Europas isolieren, zeugt entweder von politischem Opportunismus oder einer unfassbaren Irrationalität. Das Argument, dass die Bundesrepublik mit den Waffenlieferungen an die Kurden nur einen Vorwand sucht, um sich zu militarisieren, ist wenig glaubwürdig.
Warum ist dieses Thema ausgerechnet so hochexplosiv und emotional besetzt, wenn es um Genozid geht? Das ist die eigentliche Frage. Es wäre sicher angebracht, zu untersuchen, inwiefern die Umkehrung von Tätern und Opfern eine Rolle dabei spielt. Warum besteht Pazifismus in Deutschland immer noch in der Hauptsache darin, anderen aufoktroyieren zu wollen, sich nicht wenn nötig auch mit Waffen zu wehren? Was würden, so trägt man sich, Linke und Grüne tun, wenn morgen wieder der Faschismus in Deutschland herrschen würde?
Kurdische Gemeinde Bayern (V.i.G.)
kurdische-gemeinde
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